Ich habe eine neues Schnittmuster konstruiert “ein schlichtes Sommerkleid für Größe 46 – 56”. Die Anleitung und das Schnittmuster findest bei makerist als Sofortdownload. (hier ist der Link zu dem Sommerkleid)
Auf jeden Fall ist im Zusammenhang mit dem Kleid und der Anleitung dafür dieser Artikel entstanden. Ein Artikel, in dem gezeigt wird, wie du ein Schnittmuster für lange Größen verlängern kannst. Und wie du an einem Nähmuster die Passform eines Schnittmusters überprüfen kannst.

Warum ein Nähmuster nähen?
Ich entwerfe Schnittmuster und Näh-Anleitungen. Wie mein Shop bei makerist aussieht, kannst du sehen, wenn du hier klickst. Meist beginne ICH meine Anleitung mit den Worten “Näh das Kleid/Shirt/Rock als erstes aus einem Ersatzstoff./Mach ein Nähmuster!”. Diese Arbeitsanweisung gilt aber auch für jede andere Anleitung. Egal, ob du sie aus dem Internet hast oder aus einer Zeitschrift. Falls du das Schnittmuster und deine Körperform nicht genau kennst, solltest du für jeden neuen Schnitt erstmal ein Nähmuster aus einem Ersatzstoff nähen.
Oft halte ich mich aber auch nicht an meine eigenen Anweisungen. Ist es ein einfacher Schnitt kommt man ganz gut damit zurecht. Hat man sich verschätzt, muss man bei entsprechendem Pech das Teil nochmal nähen.
Bei schwierigen Modellen oder aufwendigen, gefütterten Verarbeitungen ist es sehr ärgerlich, wenn man erst zu einem sehr späten Zeitpunkt merkt, dass es noch schwerwiegende Veränderungen gibt.
Ich will heute ein Kleid nähen. Ein kurzes, naja, ein knielanges Sommerkleid ohne Ärmel. An diesem Kleid will ich zwei verschiedene Sachen ausprobieren.
Zuerst will ich mein Schnittmuster ausprobieren: ich habe einen meiner Schnitte neu konstruiert. Ich hatte ein Schnittmuster für ein schlichtes Sommerkleid mit Wiener Nähten. Das Kleid gab es bis jetzt nur in Größe 38 bis 46. Es tauchte jetzt aber der Wunsch auf, dieses Kleid auch in größeren Größen anzubieten.
“Wiener Nähte” und andere Teilungsnähte
In der Schnittkonstruktion kann man manchmal “Schnitte vergrößern/skalieren/gradieren”. Aber wenn die Größenschritte zu groß werden, funktioniert das nicht mehr. Man müsste zu viele Kompromisse in der Passform machen. Deshalb habe ich den Schnitt neu konstruiert und dabei auch die Passform etwas verändert. Statt der Wiener Nähte verlaufen die Teilungsnähte jetzt von der Brust zur Schulter. Wenn die Teilungsnähte zur Schulter laufen, lassen sich die Kleider besser an die eigene Passform anpassen. – Und für dieses Kleid werde ich ein Nähmuster nähen, um die Passform meines Schnittes zu überprüfen.

Der erste Grund für mein Nähmuster: die Passform des Schnittmusters überprüfen
Ich will für mich ein Kleid in Größe 46 nähen. Ich weiß, dass das Schnittmuster mir nicht passen wird:

Ich weiß, dass es zu kurz ist. Schnittmuster werden in der Regel für die Durchschnittsgröße der Frauen konstruiert. Durchschnittsgröße heißt 168cm (=160 bis 172 cm). Bist du größer oder kleiner, passen dir die Sachen nicht. Genau so als würdest du versuchen ein fertiges Kleid zu kaufen. – Ich bin 182cm. Damit fehlen mir 14cm. Ich werde meine Schnittmuster relativ großzügig verlängern: Zwischen Brustumfang und Taille durchschneiden und die Schnittteile um 8cm auseinander schieben. Und als zweites werde ich die Schnittteile für den Rock ungefähr 8cm unterhalb der Quernaht durchschneiden und dort auch nochmal 4cm dazugeben. Das sind zusammen 12cm. Fehlen noch 2cm, die ich an den Saum anzeichnen werde.



Und ich vermute, dass die Teilungsnähte im Bereich der Taille mir nicht passen werden. Wobei, mit “Taille” meine ich den Bereich “Bauch”. Eine Gratulation an dich, wenn du eine ausgeglichene Figur hast und dir die Kleidungsstücke aus dem Laden einfach passen. Dann kannst du den nächsten Absatz einfach überspringen. Zurück zu den “großen Größen”/”schwierigen Körperform”. Der Brustumfang kann unterschiedlich groß sein. Die Hüfte kann auch größer oder noch größer sein. Das finde ich nicht so schwierig. Aber ich persönlich habe Probleme mit dem Bauch. Man kann den Bauchumfang messen. Und bekommt einen Wert, nach dem man in einer Maßtabelle den “richtigen” Wert raussuchen kann.
Das Problem ist nur, wo sitzt der Bauch? Mit dem Maßband kann man nur den Umfang messen. Aber man weiß noch nicht, wie sich der Bauch um die Taille verteilt. Hinten am Rücken gibt es eine schöne Taillierung, in den Seiten ist es auch noch in Ordnung. Und dann ist es etwas traurig, denn wenn der Rücken und die Seiten schön schmal sind, heißt es, das sich der ganze Bauch nach vorne verteilt. Stell dir einen 6-Monatsbauch vor. Nur ohne Schwangerschaft. Aber das ist kein Grund für ein nicht passendes Kleid. Dafür gibt es die Taillungsnähte. Deshalb werde ich an den Teilungsnähte mehr Nahtzugabe als normal dazugeben.

Der zweite Grund für das Nähmuster – Schnittteile “im” Fadenlauf zuschneiden
Mein zweiter Grund für dieses Kleid: ich brauchte ein Foto von einem Kleid, dessen Schnittteile im Fadenlauf zuschneiden. (Ich bereite gerade einen Artikel zum Thema “gerader Fadenlauf” – “schräger Fadenlauf” vor. Hoffentlich wirst du bald an dieser Stelle den passenden Link finden.)
Um den Fadenlauf etwas deutlicher sichtbar zu machen, nehme ich für das Kleid einen gecrahten Leinenstoff. Ein grauer Stoff mit eingebügelten schmalen Falten.

Wenn man Schnittmuster zuschneidet, gibt es meist die Anmerkung “Schnittteile im Fadenlauf zuschneiden”. Im Fadenlauf zugeschnitten, ist die Form des fertigen Kleides etwas starr und “entschieden”. Aber man kann gut die tatsächliche Form des Schnittes überprüfen.
Das Gegenteil ist “schräg zum Fadenlauf” zugeschnitten. Dann bekommt man eine weichere Passform. Der Stoff fällt dann besser. Der gewebte Stoff legt sich ähnlich wie ein Jerseystoff um den Körper. Unstimmigkeiten verspielen sich etwas. – Den schrägen Fadenlauf werde ich ausprobieren, wenn ich weiß, wie ich mein Schnittmuster an meine Körperform anpassen muss.
Ich habe reichlich Nahtzugabe angezeichnet.

Ich habe in der Damenschneiderei eines Theaters nähen gelernt. Ich habe “handwerkliches” Nähen gelernt. Wir haben viel gebügelt, erst die Stoffe und danach die Nähte. Die Breite der Nahtzugaben hing von der der Art der Nähte ab (Schulternähte 2cm Nahtzugabe, Seitennähte 1,5cm Nahtzugabe, Saum 3cm Nahtzugabe, Armloch 1cm). Alle Nähte wurden vor dem Nähen mit Stecknadeln zusammen gesteckt, schwierige Stellen auch mit der Hand geheftet. Wir haben sorgfältig genäht, wieder aufgetrennt, neu zusammen genäht. Teilweise auch mit Handnähten. Unser Anpassung an den (Zeit)Druck der Realität: wir haben die meisten Markierungen mit Kreide angezeichnet und mit einem Rädchen durchgeradelt. – Bei den Herrenschneidern auf der anderen Seite der Werkstatt wurden die Markierungen mit Heftstichen gemacht! Die dann später auch alle wieder rausgezupft werden wollten.
Die Industrienäherinnen arbeiten anders: keine Kreidemarkierungen. Stattdessen werden alle Schnittteile rundherum mit 1cm Nahtzugabe zugeschnitten. Dann werden die Schnittteile schwungvoll übereinander gelegt und zusammen genäht. Meist gibt auf der Nähmaschine eine Markierung, wie breit die Nahtzugabe ist. Dann kann man sich wenigstens an irgendwas orientieren.
Bei meinem Leinenkleid habe ich sehr großzügige Nahtzugaben angezeichnet. In der Hoffung, dass ich später bei der Anprobe an der richtigen Stelle genügend Stoff haben werde. Auf jeden Fall muss ich in diesem Fall auch alle Markierungen ordentlich durchradeln.
Beim Nähen werde ich eine große Stichlänge einstellen. Große Stiche lassen sich einfach besser auftrennen. Und ich werde die Nahtzugaben nicht versäubern. Auf jeden Fall noch nicht. Erst nähen, dann Anprobe, dann den Verlauf der Nähte korrigieren und wenn dann noch etwas vom Kleid übrig bleibt, werde ich die Nähte versäubern.

In diesem Artikel geht es darum, wie man ein Schnittmuster für große Größen verlängert und darum, was ein Nähmuster ist. Damit dieser Artikel übersichtlicher bleibt, höre ich an dieser Stelle auf. Wie es mit der Anprobe des Nähmusters aussieht kannst du im nächsten Artikel weiterlesen: “Ist die Passform in Ordnung? Wie gut passt das Nähmuster?”
bis bald,
Andrea
Nachtrag zum “Nähmuster”
Hast du meinen Artikel gelesen? Hilft er dir beim Nähen? Hast du auch aufmerksam mitgedacht? Eine Sache habe ich nämlich nicht korrekt dargestellt. Normalerweise würde man (=ich) ein Nähmuster aus einem Ersatzstoff nähen. Vor allem aus Preisgründen. Ich habe hier eine große Rolle ungebleichte Baumwolle liegen. Von dem großen schwedischen Einrichtungshaus mit den vier blauen Buchstaben. Du wirst den Stoff oft auf den Fotos meiner anderen Artikel sehen. Sie tendiert dazu, auf die Dauer ziemlich langweilig auszusehen. Deshalb habe ich in diesem Fall mein Nähmuster aus dem Originalstoff genäht. Alles für die schöneren Fotos…
Du kannst irgendeinen Stoff nehmen, der sich so ähnlich verhält wie dein Originalstoff. Wenn du genügend Originalstoff hast, nähst du erst das Nähmuster und markierst dir alle Änderungen im Schnitt. Und DANN nähst du das endgültige Kleid. Wenn du Glück hast, hast du kaum Änderungen. Oder du musst nur einzelne Stoffbahnen neu zuschneiden. Vielleicht kannst du das Nähmuster schon als fertiges Kleid nehmen. Nur dann hast du immer noch reichlich Stoff für ein zweites Kleid übrig…
[…] In meinem vorherigen Artikel habe ich beschrieben, wie du einen Papierschnitt für lange Größen verlängern kannst und ich habe das Nähmuster für meinen Kleiderschnitt bereits genäht: „Nähmuster nähen“ […]
[…] Wie du einen Kleiderschnitt nach deiner Passform abänderst, kannst du in diesem Artikel nachlesen. […]